ein Text der im Rahmen der Libertärgen Gruppe Kaiserslautern entstanden ist

Überwachung


Fuck Surveillance! (Überwachung ist große Scheiße.)

  • Überwachung schürt Angst und Vorurteile.
  • Überwachung fördert angepasstes Verhalten und unterdrückt persönliche Entwicklung und Meinungsvielfalt.
  • Durch Überwachung leidet nicht nur die Freiheit, sondern langfristig auch die (soziale) Sicherheit.
  • Überwachung verhindert Entwicklung und führt zu starren, tendenziell totalitären Systemen.
  • Wenn der Staat uns nicht vertraut, warum sollten wir ihm noch vertrauen?
  • Überwachung schützt nicht uns. Durch Überwachung schützt der Staat sich selbst und zwar vor uns.
  • Reclaim the technology!
(Die ausführliche Begründung dieser (provokanten) Thesen findet sich in dem Abschnitt Argumente gegen alle Arten der Überwachung.)

Aktuell zunehmende Überwachung und Aktionen dagegen

Heh, hoh! Es gibt ein Thema, mit dem sich zur Zeit viele Menschen aus ganz unterschiedlichen Zusammenhängen beschäftigen und zu dem bundesweit Protestaktionen laufen: Die zunehmende Überwachung. Aktuell geht es dabei speziell um die Vorratsdatenspeicherung: Ab Anfang 2008 soll nach einem von der Bundesregierung beschlossenen Gesetz abgespeichert werden, wer wann mit wem telefoniert, E-Mails schreibt, SMS verschickt, das Internet besucht, in welcher Funkzelle das Handy nutzt, ...

Das ist nicht nur ein weiterer erheblicher Eingriff in die "Privatsphäre", sondern hat auch negative Konsequenzen für die persönliche Entwicklung eines jeden und der Demokratie, wie unten näher erläutert werden wird.

Viele verschiedene Organisationen wehren sich schon seit langem mit ganz unterschiedlichen Mitteln gegen die drohende Vorratsdatenspeicherung. Im Internet finden sich unzählige Seiten mit Informationen und Stellungnahmen, Informationsveranstaltungen werden organisiert, es finden große und kleinere Demos statt, Flugblätter, Aufkleber und Plakate werden verteilt, kreative Aktionen sorgen für Aufsehen im öffentlichen Raum und auch eine Verfassungsklage wird angestrebt.

Vielleicht erscheint es übertrieben, gegen Vorratsdatenspeicherung zu protestieren, bei der es "nur" um Verbindungsdaten geht. Doch es ist erschreckend, sich einmal klar zu machen, wie viel über einen Menschen auch ohne die Inhalte der Verbindungen festgestellt werden kann: Wann hast Du Deinen Arzt angerufen, wann und mit welcher Internetprotokoll-Adresse warst Du im Internet, wann hast Du eine Seelsorgehotline angerufen, wie häufig und wie lange telefonierst Du mit Deiner Freundin, warum rufst Du nachts häufig einen Kollegen an, wie lange telefonierst Du mit einem gewissen Peter W. in den USA, der wiederum von Zeit zu Zeit mit Afghanistan telefoniert, wann hast Du einen Anwalt kontaktiert, wann mit dem Handy aus welcher Funkzelle ein Taxi gerufen, ...?

Zugriff auf die Daten haben dann nicht nur Polizei und Staatsanwaltschaft, sondern auch die Geheimdienste und andere Staaten. In der Diskussion ist noch, ob z.B. auch die Musikindustrie zur Identifizierung von sogenannten RaubkopiererInnen Zugriff haben soll.

Auch in Kaiserslautern findet der aufmerksame Mensch an einigen Stellen im öffentlichen Raum Stasi 2.0 Aufkleber der Aktion gegen Vorratsdatenspeicherung. An der TU hat die AG Kritische Uni mit einem LeseStern zum Thema Informationen zur Diskussion gestellt. Was Kaiserslautern noch zum Thema Überwachung zu bieten hat, erfahrt ihr unten.

Doch neben dem Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung ist die Überwachung auch auf anderen Wegen zur Zeit massiv im Vormarsch: Immer mehr Kameras überwachen den öffentlichen Raum und an Autobahnbrücken die Kennzeichen der passierenden Autos (Toll Collect). Beim Einkauf werden die Konsumgewohnheiten auf Chipkarten gespeichert. Biometrische Daten im Pass, global abrufbare Fluggastdaten, DNA- und Schnüffelproben, Bundestrojaner auf der eigenen Festplatte, ... aus dem Innenministerium kommen in diesen Monaten immer wieder neue erschreckende Ideen zum Ausbau der Überwachung.



Im Rahmen der Ermittlungen zu Aktionen gegen den G8-Gipfel wurde immer wieder der Gummi-Paragraph 129a Strafgesetzbuch (Bildung einer terroristischen Vereinigung) herangezogen, um Menschen über Wochen hinweg der Vollüberwachung zu unterziehen (Videoüberwachung der Privaträume, Wanzen, Peilsender an Autos, Handyüberwachung sogar von FreundInnen, ...). Dabei wurden einige Fälle bekannt, in denen Begründungen wie "hat bei Google nach ... gesucht" ausreichten, um diese Maßnahmen zu rechtfertigen. (Siehe unter Links aufgelisteten Chaosradiobeitrag.) Dies zeigt, dass der Überwachungswillkür des Staates kaum Grenzen gesetzt sind.

Trotz allem gibt es keinen Grund, das alles hilf- und kommentarlos über sich ergehen zu lassen. Informationen und Protest können einiges bewirken:
  • Wer informiert ist, kann sich vor einigen Arten der Überwachung wirksam schützen.
  • Öffentliche Aktionen gegen Überwachung und das Verbreiten von Informationen können ein Bewußtsein über die negativen Folgen von Überwachung wecken und so weiteren Protest auslösen.
  • Durch die Proteste gegen die Volkszählung in den 80er Jahren verschob sich diese Erhebung um sieben Jahre und wurde schließlich von vielen boykottiert.
  • An der TU-KL gab es vor einiger Zeit eine auf Gebäude 47 installierte WebCam, die auf den Campus gerichtet und über Internet steuerbar war. So konnten beliebige Besucher der Seite das Campus-Geschehen beobachten und sogar bis auf erkennbare Gesichter zoomen. Nach einer Protestaktion der Fachschaft Informatik wurde dies abgestellt.
Weitere aktuelle Informationen zum Thema Überwachung findet ihr unten, bei den Links.

Viele sind sich einig, dass Überwachung entgegen aller Behauptungen der Befürworter nicht wirklich vor Gefahren schützt und irgendwie der Privatsphäre schadet. Doch genügt das, um überzeugt gegen Überwachung einzutreten? Im nächsten Abschnitt findet ihr eine Argumentation allgemein gegen alle Arten der Überwachung, die über die diffuse Angst um die "Privatsphäre" hinausgeht und die gravierenden, demokratieschädigenden Folgen zunehmender Überwachung beschreibt ...

Argumente gegen (alle Arten der) Überwachung

Warum Überwachung weder für Sicherheit, noch Demokratie, weder für persönliches Wohlbefinden und Entwicklung, noch für gleichberechtigtes Miteinander förderlich ist.

Der Gedanke an Überwachung erzeugt bei vielen ein diffuses, nicht näher beschreibbares, unangenehmes, Gefühl, aber wenn eine Erhöhung der Sicherheit versprochen wird, wird dieses scheinbar kleine Übel gerne in Kauf genommen. Im Sinne von "Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten" glauben sie (die gebrannten Musik-/Software-/Video-CDs und -DVDs oder die letzte Steuererklärung vergessend), dass es schon die "Richtigen" treffen wird. Der immer wieder auftretende Fall, dass eben nicht die "Richtigen" getroffen werden (siehe Links), ist nur einer der Gründe, die gegen Überwachung sprechen.
Im Folgenden soll erläutert werden, dass alle Arten der Überwachung mehr als ein kleines Übel sind, die Sicherheit nicht erhöhen, sondern eher erschüttern, und erhebliche negative Beeinträchtigungen aller Menschen und der Gesellschaft zur Folge haben.



Eine geschützte Privatsphäre (1) ist extrem wichtig. Die Privatsphäre ist der Raum oder die Zeit, in der mensch geschützt ist vor Erwartungen, Bedrängnissen oder Belästigungen wie Termindruck, Verhaltensvorschriften oder Mobbing. In diesem Raum kann mensch sich auf die eigenen Bedürfnisse konzentrieren, den individuellen Interessen nachgehen und wenigstens in diesem begrenzen Rahmen ein Gefühl von Freiheit empfinden. Innerhalb der Privatsphäre es es möglich, neue Gedanken zu spinnen, sich selbst auszuprobieren und zu experimentieren, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Dieser Freiraum ist die Grundlage auf der persönliche Entwicklung möglich ist. Der Mensch kann sich als Individuum definieren und persönliche, möglicherweise auch im Gegensatz zur Mehrheit oder Normen stehende Meinungen herausbilden.

Damit ist die Privatsphäre eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung der Fähigkeit zu autonomen und ethischen Entscheidungen. Kreative Persönlichkeitsentwicklungen und die Möglichkeit zu konsequenzlosem Experimentieren sind wiederum Voraussetzung für innovative gesellschaftliche Entwicklung. Beides, Individuen mit der Fähigkeit zu autonomen und ethischen Entscheidungen und gesellschaftliche Entwicklung, sind wiederum Voraussetzungen für eine funktionierende Demokratie (2).

Überwachung stellt in jedem Fall eine Einschränkung der Privatsphäre dar. Es ist nachgewiesen, dass allein das Wissen um die Möglichkeit der Überwachung (Kameraattrappen genügen schon) das Verhalten der Menschen ändern. Selbst wer "nichts zu verbergen" hat, ändert seine gewohnten Verhaltensschemata und praktiziert unbewusst Selbstzensur. Mit dem Wissen um die Möglichkeit der Überwachung schwindet auch das Gefühl von Freiheit und Sicherheit und damit der Raum zur freien Entwicklung der Persönlichkeit und der Gesellschaft. Überwachung nicht nur punktuell, sondern wie bei Vorratsdatenspeicherung oder Videoüberwachung flächendeckend einzusetzen, bedeutet von der Unschuldsvermutung zum Generalverdacht überzugehen. So wird in jedem Menschen eine potentielle Gefahr gesehen. Das Gefühl von Freiheit und Sicherheit weicht damit dem Gefühl des beobachtet und beurteilt Werdens und der Angst vor Vorverurteilung oder Fehlurteilen. Es entsteht unbemerkt und unbewusst die Tendenz oder gar der Druck, sich entsprechend der geltenden Werte und Normen zu verhalten. Die entstehende Wertemonokultur steht eindeutig im Widerspruch zur für Demokratie notwendigen Entwicklung der Fähigkeit zu autonomen Entscheidungen und zur Meinungsvielfalt.

Überwachung hat also die Tendenz, die Grundlagen der Demokratie ins Wanken zu bringen und statt einer entwicklungsfähigen Gesellschaft eine starre Gesellschaft mit immer fester vordefinierten Werten und Normen zu etablieren. Hinzu kommt, dass ein Staat, der sowohl Finanzen als auch Zeit in Überwachung investiert, von beidem weniger zur Verfügung hat, wenn es um seine einzig sinnvolle Aufgabe, dem Schaffen sozialer Gerechtigkeit, geht. Soziale Ungerechtigkeit ist häufig die Ursache für Spannungen und Konflikte. Mangelnde soziale Gerechtigkeit, fehlende soziale Netze und Prekarität von Einkommensverhältnissen stehen direkt im Widerspruch zu dem Bedürfnis nach persönlicher Sicherheit.

Die Überwachungs-BefürworterInnen argumentieren meist, dass Sicherheit durch Überwachung verbessert werden könnte (3). Dabei ist das Gegenteil der Fall. Investition in Überwachung statt in soziale Gerechtigkeit erzeugt gleich auf drei Wegen Unsicherheit: Erstens wird durch die ständige Rede (4) vom "Krieg gegen den Terror" permanent Angst und ein Gefühl von immer fort drohender Gefahr erzeugt. Zweitens ist das Wissen um Überwachung, Generalverdacht und Eingriffe in die Privatsphäre eine Ursache von gefühlter Unsicherheit. Und drittens, schließlich, vergrößert die Investition in Überwachung statt sozialer Gerechtigkeit die Spannungen und damit Unsicherheit erzeugenden Einkommens- und Lebensgestaltungsunterschiede. Überwachung ist also keine notwendige Medizin gegen mangelnde Sicherheit, sondern deren dreifache Ursache.

Sobald die Gesetze zur Überwachung verabschiedet sind, die Überwachungsinfrastruktur aufgebaut ist und das große Datensammeln beginnt, werden neue Begehrlichkeiten geweckt: Nicht nur Polizei, Staatsanwaltschaft, BKA und andere Institutionen haben Interesse an den Daten, auch die Industrie oder Privatpersonen werden versuchen, an diese zu kommen. So will beispielsweise die Musikindustrie Zugriff auf die Vorratsdaten bekommen, um "RaubkopiererInnen" verfolgen zu können. Grundsätzlich gilt: Wo Daten gesammelt werden, ist die Gefahr von Missbrauch immer gegeben - und - warum sollten die Überwachten dem überwachenden Staat trauen, wenn dieser den Bürgern immer weniger vertraut?

Eine weitere Frage, die sich im Zusammenhang mit der oben erwähnten, durch Überwachung ausgelösten Tendenz zum normgerechten Verhalten stellt, ist die, wer die Normen und Werte festlegt, wer bestimmt, was unter "Recht" zu verstehen ist. Im Zweifelsfall (5) sind das nicht die BürgerInnen, sondern die BesitzerInnen der Überwachungsinfrastruktur. Von den Wünschen und Vorstellungen der Überwachenden abweichendes Verhalten kann durch den Einsatz moderner Überwachungstechnologie verfolgt und sanktioniert werden. Häufig erfahren die, die überwacht wurden erst viel später oder nie davon. Wie oft, was, wann und warum überwacht wird, wird nicht offen gelegt. Da die Technik Überwachung aus dem Verborgenen ermöglicht, wird dies ausgiebig und scheinbar mit immer niedrigerer Hemmschwelle von den Überwachungsinstitutionen genutzt. Diese Zustände, Wertemonokultur und Widersprüche rund um das Thema Sicherheit sind Anzeichen dafür, dass sich die Regierenden tendenziell in die Richtung eines totalitären Systems bewegen. Das mag zwar übertrieben klingen, ist aber in der Tendenz bereits bittere Wirklichkeit. In den Links werden einige Beispiele genannt, die zeigen, dass Überwachung im großen Stil schon bei dem nichtigsten Verdacht auf große Personengruppen angewandt wird und in Großbritannien Menschen gar aufgrund von durch Überwachung erstellten psychologischen Profilen "zur Vermeidung von Straftaten" vorsorglich weggesperrt werden können.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich die ganze Sicherheitsdiskussion wie sie von Regierungsvertretern zur Rechtfertigung von Überwachungsmaßnahmen geführt wird, gleich in mehrere Widersprüche verstrickt (in dem Schaubild oben verdeutlicht durch Blitze). Das liegt nicht daran, dass die Überwachungsmethoden noch unausgereift sind oder ungeschickt argumentiert wurde - das liegt einzig daran, dass das Konzept Überwachung generell falsch ist. Überwachung widerspricht den Grundideen einer freien Gesellschaft gleichberechtigter Individuen und auch den Grundideen der Demokratie. Zunehmende Überwachung ist einerseits ein Eingeständnis des Versagens des Systems, das es nicht geschafft hat, eine für alle annehmbare Situation zu schaffen und daher deren Aufbegehren durch Überwachung und Repression kontrollieren muss. Damit ist andererseits die zunehmende Überwachung ein Beweis dafür, dass es den Überwachenden nicht um das Wohl der Überwachten geht und auch nicht um Demokratie, sondern letztlich nur um den Erhalt der eigenen Macht. Durch Überwachung schützt der Staat nicht uns, sondern sich selbst und zwar vor uns!

Moderne Technik ermöglicht vieles. Sie kann dazu dienen, das "perfekte" totalitäre System zu errichten, kann aber auch in einer freien, gleichberechtigten Gesellschaft das Leben aller durch Arbeitserleichterungen und Kommunikationsmöglichkeiten verbessern. Es liegt an uns, die Technik zurück zu fordern und zu bestimmen, wie diese in unserem Sinne einzusetzen ist.

Anmerkungen:
(1) Die Privatsphäre einer Person bezeichnet den Bereich, der nicht öffentlich ist, in dem nicht im Auftrag eines Unternehmens, Behörde oder ähnliches gehandelt wird, sondern der nur die eigene Person angeht. Die Privatsphäre ist z.B. im Grundgesetz und in der Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert.
(2) Mit Demokratie ist hier nicht das jetzige System gemeint, bei dem keineR mehr den Repräsentanten vertraut und keine Einflussmöglichkeiten bestehen, sondern Demokratie, wie sie eigentlich sein sollte: Die Regierten haben Informationen über, Interesse an, Vertrauen in und Einflussmöglichkeiten auf die Regierung. Dass Demokratie selbst in diesem Bilderbuchfall nicht die beste Form des Zusammenlebens ist, könnt ihr hier nachlesen.
(3) Menschen, die ernsthaft geheime Aktivitäten planen, wissen in den meisten Fällen wie Überwachung z.B. durch E-Mail-Verschlüsselung, persönliche Treffen statt Telefonate oder bewusstem Handy-Gebrauch geschickt zu umgehen ist. Überwachung trifft also den "unwissenden, unbescholtenen Bürger" mehr als den "professionellen Terrorist".
(4) Propaganda ist vielleicht das treffendere Wort.
(5) Wenn die Regierung ihre Macht in Gefahr sieht, weil beispielsweise große Teile der Regierten mit dem Handeln der Regierung nicht einverstanden sind und dies etwa durch Demonstrationen oder Streiks zum Ausdruck bringen, wird die Regierung im Zweifelsfall alle zur Verfügung stehenden Mittel der Überwachung, Repression und polizeilichen, ja gar militärischen Gewalt nutzen, um die Macht zu sichern. (Beispiele: Proteste gegen den G8-Gipfel 2007 in D oder der "Wasserkrieg" gegen die Privatisierung des Wassers in Cochabamba (Bolivien) 2000.)

Animationsfilm Big Brother State

Als Einschub ein kurzer Animationsfilm zum Thema Überwachung (englisch), der von www.huesforalice.com/bbs/ kommt und dort heruntergeladen werden kann.



Überwachung in Kaiserslautern

Auch in Kaiserslautern werden wir in Kaufhäusern, im Kino, im Schwimmbad, am Bahnhof, an der Uni und sogar auf Toiletten "videografiert". Zur WM 2006 wurde die Stadt mit dutzenden neuen Kameras ausgestattet. Die bei Videoüberwachung vorgeschriebenen Hinweisschilder wurden erst einige Wochen nach den Kameras und an wenig einsichtigen oder von den Kameras entfernten Stellen angebracht. Dank einer Aktion von www.anderslautern.de gibt es eine Übersicht über die Verteilung der Kameras im Innenstadtbereich. Wahrscheinlich waren es noch viele mehr...



Viele von diesen Kameras wurden mittlerweile wie versprochen wieder abgebaut. Die noch verbliebenen dienen angeblich nur der Überwachung des Verkehrs. Ob wir auf diese Aussage vertrauen können?

Boomendes Überwachungsunternehmen mit Hauptsitz in Kaiserslautern

Mit Mobotix (Luxemburger Straße 6) findet sich in Kaiserslautern ein Unternehmen, das mit weltweit exportierter High-Tech-Überwachungstechnologie zur zunehmenden Überwachung beiträgt und enorme Gewinne dadurch einstreicht. Ein Auszug aus der Mobotix-Seite:

Die Mobotix AG, Hersteller digitaler, hochauflösender und netzwerkbasierter Video-Sicherheitssysteme (Kürzel: MBQ, ISIN: DE0005218309), vermeldet für das erste Quartal des neuen Geschäftsjahres 2007/08 (Juli bis September) einen Umsatz von 6,95 Millionen Euro. Dies entspricht einem Wachstum von 56 Prozent. Damit wurde das durchschnittliche jährliche Wachstum (CAGR) der letzten drei Geschäftsjahre in Höhe von rund 40 Prozent deutlich überschritten. Mobotix ist am 10. Oktober 2007 mit einem Ausgabepreis von 15,50 Euro erfolgreich im Entry Standard des Freiverkehrs (Open Market) der Frankfurter Wertpapierbörse gestartet. Bei einem aktuellen Kurs von zirka 23 Euro entspricht dies einem Kursanstieg von fast 50 Prozent.

Mit Mobotik-Kameras können Innenräume und Außenbereiche überwacht werden. Die Kameras liefern hochauflösende Bilder und es gibt auch Modelle, die sich für Nachtaufnahmen eignen. Die Bildaufzeichnung passt sich an die Lichtverhältnisse an. Die Kameras werden mit einer Software ausgeliefert, die Bildsuche, Bildanalyse und automatische Alarmauslösung erlaubt. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis diese Technik so weit ist, dass abgefilmte Gesichter sofort mit Bildern aus einer Datenbank verglichen werden können, sodass gesuchte Personen beim Passieren einer Kamera direkt identifiziert werden können.

Das, was an Videomaterial von Überwachungskameras öffentlich zugänglich ist, wirkt dagegen verdächtig harmlos... Zwei Beispiele:

1. Der Stiftsplatz - ein Suchvideo zum Entdecken nicht-normgerechten Verhaltens

Der Stiftsplatz war zur WM mit Kameras dicht umringt. Ein älteres Modell, das etwas weiter entfernt, am Dach einer Bank, installiert ist, ist noch geblieben. Die Bilder, die diese Kamera alle zehn Sekunden aufzeichnet können auf dieser Seite angesehen werden. (Warum gibt es diese Seite? Eine touristische Attraktion ist der Platz ja nicht gerade...). Im folgenden Video sind die Bilder eines Samstags zu einem kurzen Film zusammen gefasst:



Das mag einen recht harmlosen Eindruck von Überwachung vermitteln (was vielleicht die eigentliche Intention der Seite ist), sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es bessere Kameras gibt und diese bei Bedarf so gesteuert werden können, dass einzelne Personen im Detail sichtbar sind. Aber auch in dieser Qualität lässt sich schon überwachen ob nicht-normgerechtes Verhalten vorliegt: Was ist mit der Person, die hinter den LKWs raucht und mit hängenden Schultern durch die Gegend läuft? Was macht die Person im Mantel, die ein Plakat ausrollt, über den Boden zieht und dann wieder verschwindet? Könnt ihr sie identifizieren? Wer ist die Person, die beim Abbau des Markts in den Mülltonnen wühlt? Wer sind die Leute, die sich gegen Nachmittag auf dem Platz treffen? Was haben sie vor? Was könnt ihr in diesem Suchvideo zu nicht-normgerechtem Verhalten alles entdecken? Wie verhaltet ihr Euch, wenn ihr wisst, dass irgendwo auf einem Dach eine Kamera zuschauen könnte?

2. Das Rathaus und der Humbergturm

Auf dem Rathaus sind einige Kameras installiert, deren Bilder öffentlich zugänglich sind. Auf dieser Seite könnt ihr euch ansehen, wie unsere lokale Regierung auf uns herabblickt. Auch das wirkt wieder nicht besonders attraktiv aber harmlos.

Doch wie gut sind diese Kameras wirklich? Aus welcher Entfernung sind welche Details noch sichtbar?

Szenenwechsel - ca. 3,5 km davon entfernt - der Humbergturm. Idyllisch im Pfälzerwald gelegen ist er ein Ausflugsziel für viele NaturromantikerInnen, die auf der Aussichtsplattform das Panorama genießen und sich so weit oben und mitten in der Natur frei und unbeobachtet fühlen. Doch selbst hier ist der unbescholtene Bürger vor Überwachung nicht sicher!

Es gibt eine Kamera, die genau auf die Aussichtsplattform des Humbergturms zielt und Bilder von den nichts ahnenden Besuchern aufzeichnet. Die Webkamera ist sogar öffentlich zugänglich: Internetseite mit Kamerabild auf den Humbergturm.
Im Frühling 07 haben wir uns mit einem Plakat mit der Aufschrift "MOBOTIX is watching you" auf dem Humbergturm von der Kamera filmen lassen, die über die oben genannte Seite zugreifbaren Bilder aufgezeichnet und zum Beweis für euch als Video hochgeladen:



Dies ist ein Foto von der Aktion gegen Überwachung am Humgergturm vom Frühling 07:
Die entscheidende Frage ist nun:
Wo steht diese Kamera? Aus dem Aufnahmewinkel kann geschlossen werden, dass die Kamera entweder etwa auf gleicher Höhe mit der Aussichtsplattform angebracht ist oder sich sehr weit weg davon befindet (vergleiche mit dem Aufnahmewinkel des Fotos, das vom Fuß des Turmes aus geschossen wurde). Wer schon einmal auf dem Humgerturm war, wird bestätigen können, dass dort nichts, nicht mal ein Baum, in der entsprechenden Höhe zu finden ist. Es bleibt also nur die Variante mit der weit entfernten Kamera mit einer hohen Auflösung und starkem Zoom. Das Rathaus liegt in der richtigen Richtung. Ist es tatsächlich möglich über diese Distanz Bilder aufzuzeichnen? Kann das mal jemensch nachprüfen?

Doch nicht nur wegen der ungeklärten Frage nach dem wahrscheinlich sehr weit entfernten Standord der Kamera, sondern auch weil Besucher ohne deren Wissen gefilmt werden, gibt dieser Fall zu denken.

Links

  • www.vorratsdatenspeicherung.de oder www.freiheit-statt-angst.de: aktuelle Informationen zur Vorratsdatenspeicherung, zahlreiche Materialien für eigene Aktionen, teilweise englisch
  • www.ueberwachungsdruck.org/: Wiki mit zahlreichen Informationen, Materialien, Tipps zum Umgang mit Überwachung und Links.
  • www.daten-speicherung.de: eine weitere Informationsseite
  • www.foebud.org/ Verein, der sich für Bürgerrechte und Datenschutz mit Schwerpunkt auf Computer-Technik einsetzt. Projekte, Informationen und Tipps zum Umgang mit Überwachung. Der FoeBuD betreut unter anderem die Seite www.bigbrotherawards.de/, die Preise an Institutionen, die fahrlässig mit privaten Daten umgehen.
  • Arguments Against Surveillance: Ankündigung und Material zu einem sehr guten Vortrag mit Argumenten gegen Überwachung von Sandro Gaycken, der auf dem Chaos Communication Camp 2007 gehalten wurde (englisch). Der Veranstalter des Camps, der Chaos Computer Club ist eine weitere gute Adresse zum Thema. Beim Chaosradio gab es beispielsweise einen interessanten Beitrag über jemanden, der auf Grund eines falschen Verdachts massiv vom BKA überwacht wurde. Neu: Chaosradio-Beitrag zu Überwachung mit Sandro Gaycken.
  • Schäubles Symptome: Ein TP-Artikel, der sich mit Schäubles psychischem Zustand befasst
  • the Surveillance Camera Players: Kreative Aktion gegen Überwachungskameras, englisch
  • euro-police.noblogs.org/: Analysen und Aktuelles zu Überwachung, Repression und Polizei. Informationen und Ankündigungen zu Aktionen gegen den Europäischen Polizeikongress 29.-30.01.08 in Berlin.
  • Freitag-Artikel über Vorratsdatenspeicherung, die Abkehr von der Unschuldsvermutung und präventives Wegsperren in Großbritannien.
  • Freitag-Artikel von Andrej Holm über die schräge Logik von 129a-Verfahren, die zur Rechtfertigung von massiver Überwachung dient, und seinen eigenen Fall. Zitat: Die Wahrung von Anonymität und Persönlichkeitsrechten gerät unter Generalverdacht. Die Freiheit selbst wird kriminalisiert.
  • Tipps zum Umgang mit Überwachung aus Anarchopedia.
  • Ein kurzes sehr gutes Video zum Thema.

Weitere Notizen

Für das Jahr 2011 ist eine (registergestützte) Volkszählung geplant. Dank der starken Proteste gegen die Volkszählung in den 80er Jahren ist seit dem keine Volkszählung mehr durchgeführt worden. Durch die registergestützte Auswertung (Zusammenführung bereits bestehender Datenbanken von Meldeämtern und der Bundesagentur für Arbeit, Befragung der Immobilienbesitzer sowie allgemeine Stichprobenbefragungen) soll der Protest diesmal umgangen werden. Ob das gelingen wird?
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